Mein neues digitales Speicheroszilloskop
Gegen Ende 2017 fand ich es an der Zeit ein zeitgemäßes Oszilloskop zu erwerben. Als Budget hatte ich bis zu 1.000€ angesetzt. Natürlich(?) ging meine Suche zunächst bei den bekannten Marken los. Nun, die Auswahl ist bei denen dann doch ziemlich übersichtlich und das Ganze ziemlich ernüchternd. Bei Tektronix-Keithly gibt es nur eine einzige, veraltete Serie unter 1.000€. Bei einem winzigen unpräzisen Display, das Scope ganz offenbar von einem chinesischen OEM bezogen und magersten 2k5 Speicher frage ich mich ob Keithley hier mit der Bezeichnung Digitales Speicher Oszilloskop uns einen sehr speziellen Tek-Humor beweist.
Bei Keysight (ehem. Agilent/HP) sieht es kaum besser aus. Umgelabelte GWInsteks, nur 2-kanalig, 100K Speicher. Von Rhode&Schwarz oder Teledyne LeCroy erst gar nicht zu reden. Zur Ehrenrettung von R&S sei gesagt, daß sie bei ihren Einstiegsserien anscheind als einzige nicht auf billige OEM Ware zurückgreifen und sie schon zu recht günstigem Kurs 10Bit Auflösung mit großem Display bieten. Mit einem Budget um 2.000-3.000 € wäre die RTB2000 Reihe vermutlich mein Ding.
Blieb also nur die Suche bei anderen Herstellern.
Rigol war erste Anlaufstelle. Ihre 2000er Serie ist schon länger auf dem Markt und scheint ganz gut beleumundet und nur knapp über dem Budget. Es gibt jedoch die Möglichkeit aufgearbeitete Geräte, Messevorführer etc. über die Webseite zu ordern. Mit etwas Glück kann man dann ein gutes Gerät günstiger bekommen .... ich hatte kein Glück. Andererseits war mir die billigere und auch recht erfolgreiche 1000er Serie dann doch zu kompromißbehaftet. OWON (z.B. Voltcraft/Conrad) und UNI-T schieden nach dem lesen erster Beschreibungen schnell aus.
Schließlich rückte eher zufällig Siglent in meinen Fokus. Siglent gehört zu den jüngeren und offenbar sehr ambitionierten chinesischen Herstellern und ist in Deutschland überhaupt erst seit 2013 präsent. Ihre brandneue X- und X-E Reihe stand unmittelbar vor der Markteinführung und versprach eine Menge .... auf dem Papier ... wo es jeder tut und jeder auch alles fehlerlos kann.
Es gab daher gute Gründe Vorsicht walten zu lassen. Also hab ich fleißig gekugelt und recherchiert.
Das 2-kanalige SDS1202X-E startete als erstes der Baureihe und sammelte von Anfang an eine Menge Lorbeeren. Mehrere Teardowns und Besprechungen äußerten sich positiv bis überschwänglich. Ziemlich schnell wurden auch kostenpflichtige Optionen als freies Bundle hinzu gegeben. Man konnte auch feststellen, daß Siglent durchaus ´dem Volk aufs Maul schaut´. Will heißen, daß sie Geräte an Fachleute zum testen schicken, daß sie sich Feedback in Foren holen und die Ergebnisse in Updates einfließen lassen. Nicht zuletzt finde ich sehr sympathisch, daß der Gründer und Geschäftsführer ein Techniker ist, der die Materie versteht und keine schamlose Krämerseele, die nur in den Kriterien Kostensenkung und Profitsteigerung denkt.
Zur Zeit kostet dieses wirklich sehr gut ausgestattete Teil 340€ netto.
Unmittelbar nach dem 2-kanaligen SDS1202X-E schob Siglent zwei vierkanalige Oszis hinterher, das 100MHz SDS1104X-E (430€ netto) und das 200MHz SDS1204X-E (660€ netto). Sie unterscheiden sich in der Hardware geringfügig vom 2-kanaligen Bruder (abgesehen natürlich von den zusätzlichen Frontends). Untereinander gibt es nur den Unterschied in der Bandbreite, die softwaremäßig begrenzt ist. Das SDS1104X-E lässt sich zum SDS1204X-E freischalten (oder hacken).
Als Besonderheit ist zu vermerken, daß es sich im Grunde um 2x 2-kanalige Oszis handelt (mit vier tatsächlich identischen analogen Frontends), denn es sind zwei AD-Konverter mit je 1GS/s vorhanden. Dadurch sind 2-kanalige Messungen mit bis zu 1GS/s möglich, äquivalent einem 2-kanaligen Oszi mit einem 2GS/s Wandler. Erst bei 3- oder 4-kanaligen Messungen sinkt die Samplerate auf 500MS/s. Das reicht völlig für Signale auch noch über 100MHz und erst bei noch höheren Signalfrequenzen könnte es zu ersten Aliasing-Effekten kommen. Die Wahrscheinlichkeit einmal 3- oder 4-kanalig Frequenzen über 150MHz messen zu müssen ist allerdings sehr gering.
Als Speicher stehen 2x 14MB (bzw. 3x oder 4x 7MB) zur Verfügung, sodaß auch lange Signalsequenzen problemlos aufgenommen werden können.
Die Waveform Capture Rate gehört zu den Besten in in seiner Klasse und wird selbst in höheren Klassen nicht immer erreicht.
Auf dem Oszi läuft ein schneller Webserver, sodaß es nach dem Anschluß an ein LAN von einem PC mit großem Monitor fast in Echtzeit fernbedient werden kann.
Es würde viel zu weit führen alle Funktionen und Möglichkeiten bezüglich Triggerung und mathematischer Algrythmen zu erörtern, für Audio sind jedoch folgende zwei Merkmale noch interessant. Die Oszis können im Zusammenspiel mit einem Signalgenerator Bode Plots erstellen, also den Amplituden- und Phasengang über der Frequenz eines Prüflings. Besonders einfach geht es mit den Generatoren von Siglent.
Weiter verfügen sie über eine brauchbare 1Mpunkt FFT, deren Bandbreite (Nyquist wieder mal) bei 1GS/s bis zu 500MHz beträgt. Selbstverständlich erzielt man weder die Auflösung noch die Dynamik und Bandbreite eines echten Spectrum Analyzers, aber für viele Aufgaben reicht es aus die kritischen Frequenzbereiche zu lokalisieren und einzugrenzen.
Wie man auf dem Bild erkennen kann ist das Layout der Bedienelemente logisch und klar erkennbar. Das Oszi läßt sich gut und weitgehend intuitiv bedienen. Natürlich gibt es ein paar Stellen die vielleicht einfacher oder besser hätten gelöst werden können, aber angesichts der enormen Fülle an Funktionen ist das keine leichte Aufgabe .... vielleicht sogar über den Möglichkeiten dieser Geräte - und Preisklasse. Und ja, auch einem Mann bricht kein Zacken aus der Krone wenn er denn mal ein Handbuch liest. ;-)
Im Vergleich zu einem älteren LeCroy 64X Waverunner und einem R&S RTH1004 fiel auf, daß sich mit dem Siglent fast immer am schnellsten und einfachsten ein Meßergebnis erzielen ließ.
Die Erfolgsquote schon mit Auto-Setup ist erstaunlich hoch. Und bei Bedarf stehen ja noch 8 weitere Triggerarten zur Verfügung.
Mein Resumee ist daher ein sehr positives. Ein tolles Oszi mit unglaublich Potential und jeden Cent wert. Ich würde es jederzeit wieder kaufen ... und hab das auch schon.
Als Randnotiz zum Schluß .... Siglent ist OEM u.A. für Teledyne LeCroy und BK Precision.
Die bis hin zu den manuals identischen TeledyneLeCroy Oszis heißen:
T3DSO1102 - ist eine 100MHz Version des SDS1202X-E
T3DSO1104 - entspricht dem SDS1104X-E und das
T3DSO1204 - entspricht dem SDS1204X-E. Alle drei fast doppelt so teuer wie die Orginale.
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